Die Kraft der Filmmusik
Die Kraft der Filmmusik
Als ich vor einigen Jahren anfing mich mehr für Kameras als für Slacklines zu interessieren, begann in mir der Wunsch zu reifen, irgendwann einmal Filmmusik von einem Orchester einspielen zu lassen.
Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen und erinnere mich gut an die hohen, durchdringenden Töne der Klarinette, die durch mein Zuhause schwebten und mich in meiner Kindheit fast täglich begleiteten. Für mich gibt es keine tiefere und komplexere Art Gefühle zu empfinden und Kraft und Energie zu mobilisieren als Zuhörer eines klassischen Orchesters zu sein. Musik erzählt tausend und eine Geschichte: sie erzählt tief traurig und unendlich einsam, rührend glücklich und grün schimmernd hoffnungsvoll, sie erzählt stechend böse und bitter anklagend. Wenn ich Musik höre, lebe und fühle ich Sinn, trotz aller Unsicherheiten. Was wäre ein Leben ohne Musik? Vermutlich ein trostloseres und vermutlich eines voller stummer Filme.
Musik unterstreicht Bilder oder hebt sie empor. Musik kann aber auch widersprüchlich sein und bewusst zynisch, frech das Gegenteil sprechen. Bilder mit Musik zu verknüpfen ist vermutlich das schwierigste und anspruchsvollste Terrain im Marathon einer Filmproduktion. Was es für gute Filmmusik braucht, ist ein Meister: ein Musikcomposer mit jahrelanger Erfahrung. Ich hatte das Glück zufällig einem zu begegnen.
Justin La Vallee wuchs in Manhattan auf und besuchte die “Manhattan School Of Music”. Im Jahr 2010 schrieb er die Musik für den Spielfilm “Inuk”, der bei den 85. Academy Awards für den besten ausländischen Film ins Rennen ging.
Ich lernte Justin in Austin kennen und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Er ist ein extrem talentierter Musiker und unsere Partnerschaft ein Garant für funktionierende deutsch- amerikanische Freundschaft und Zusammenarbeit.
Das Studio von Justin liegt in Berlin im Stadtteil Friedrichshain und seine Firma - Q Music and Sound Couture - ist eine der Top-Adressen für Filmmusik in Deutschland. Q Music unterhält sehr gute Kontakte zum Hungarian Film Orchestra und handelte für uns einen fairen Preis aus. Der Score für BuildingBridges sollte kein rein klassischer Soundtrack werden, sondern auch Americano- und elektronische Elemente beinhalten. Ein sogenannter Hybrid – ein von Hans Zimmer vor Jahren etabliertes Genre.
Die musikalische Umsetzung musste ich komplett Justin anvertrauen. Ich behalte gerne über alles und jeden Kontrolle und mir fällt es schwer Menschen einfach machen zu lassen. Justin erzählte mir später nach der Fertigstellung, dass er die Melodie der Streicher bei unserem ersten Treffen in Austin gehört hatte und somit der Grundbaustein der Musik bereits in Amerika in Beton gegossen worden war.
Der Soundtrack hatte vom ersten Ton an die Aufgabe, jedem sofort klarzumachen, in welchem Teil der Erde der Film spielt: im Wilden Westen Amerikas. Dafür nutzte Justin unter anderem sanfte Americano-Klänge, die er mit einer E-Gitarre einspielte. Insgesamt sollte die Musik nicht leise sondern laut werden. Die Hauptzielgruppe des Filmes sind Amerikaner und diese sind bekanntlich in ihren Filmen, sei es beim Spielen, in den Dialogen oder in der Musik meistens größer und lauter.
Insgesamt war ich dreimal in Berlin. Zweimal verpasste ich meine Bahnfahrt zurück, weil ich mich nicht vom Studio losreißen konnte. Der letzte Abend vor dem Mastering war dabei der spannendste. Tobias Wagner, der mit Justin gemeinsam an dem Projekt arbeitete, hatte die geniale Idee seine Freunding und Sängerin Glacéia Adele Henderson, die in der “Vivid Grand Show” Mezzo-Sopran singt, einzuladen und mit Ihrer wunderbaren Stimme unseren Film zu bereichern. Die Session dauerte bis 2.00 Uhr in der Früh und ich erinnere mich noch genau an meine Gefühle, als ich danach durchs nächtliche Berlin lief.
Ich überquerte die Spree am Berliner Ostbahnhof und war beschwipst vor lauter Glück. In den schmalen Seitenwegen des Bahnhofs war wildes Berliner Partyvolk unterwegs und die Mitte der Brücke lockte mit guter Aussicht zum Verweilen und Beobachten ein. Ich stand mit dem Rücken lehnend an der Brüstung und hörte zum hundertsten Male die Aufnahme des Orchesters, das zwei Tage zuvor aufgenommen worden war. Gepaart mit den noch jungen Eindrücken von Glacéia konnte ich mir langsam ein Bild davon machen, wie der Film schlussendlich wirken würde. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass wir etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt hatten und der Film funktionieren könnte. Ich war stolz zu wissen, dass die Streicher in unserem Score nicht einem digitalen Musikkatalog entflogen waren, sondern der sirrenden Luft echter Geigen und Bratschen. Im Orchester.