Wie man eine Slackline über einen aktiven Vulkan spannt
Wie man eine Slackline über einem aktiven Vulkan spannt
Eine Highline am aktivsten Vulkan der Welt zu spannen war ein Abenteuer für sich! Lest hier, was die größten Herausforderungen dabei waren.
01.04. Auf dem Yasur
Ich stehe mit einer Motorsäge in der Hand am südlichen Kraterrand eines der aktivsten Vulkane der Welt. Rafael und Marinus leisten mir mit Spitzhacke und einem Spaten Gesellschaft. Wir sind hier, um die Ankerpunkte für die Highline vorzubereiten. In dieser lebensfeindlichen Umwelt wächst zwar kein Baum, aber seit Will Smith vor fünf Monaten hier ein paar Meter in den Krater abgeseilt hat, liegt genug Holz herum. Der erste Schritt ist das Graben der sogenannten Totmann-Anker. Die oben lockere und später gepresste Asche ist immer wieder von Lavabomben durchsetzt. Ab einem halben Meter Tiefe wird es unangenehm heiß. Knapp über ein Meter tief wird auf beiden Seiten gegraben, dann legen wir die Holzbalken mit daran befestigten Eisenketten in die Löcher und schütten diese zu. Auf den Ketten steht zwar eine Bruchlastangabe drauf, doch ob man sich darauf verlassen kann, ist ungewiss. Deshalb kommen noch Kevlar- & Dyneema-Seile dazu. Kevlar für die Hitze und Dyneema für die Säurebeständigkeit. Die Seile führen zu zusammengebundenen Holzkonstruktionen aus beindicken Baumstämmen. Die höhere der beiden ist ein sog. Hang-Frame, das sorgt für mehr Stabilität. Das Arbeitsumfeld könnte spannender und ablenkender nicht sein: Alle paar Minuten rumort es neben uns gewaltig und einer der vielen Krater spuckt eine Asche- und Lavafontäne aus, deren Brocken 50 Meter neben uns niedergehen. Endzeit-Szenario!
Bei der ersten Ortsbesichtigung hat sich herausgestellt, dass die Distanz zwischen den Ankerpunkten 260m ist, was 20m mehr als die Länge unseres Setups ist. Daher müssen wir die BalanceCommunity Slacklines beim Tapen mit Seilen verlängern, dabei entwickelen Rafa und Marinus eine neue Anwendung des Halbmastwurf-Knoten. Als Sicherheitsmerkmal werden Mainline und Backup alle 60m mit Softschäkeln miteinander verbunden, um die Fallhöhe im Fall des Falls zu reduzieren.
Bevor die Slackline ausgepackt wird, müssen wir gemeinsam die Regenwahrscheinlichkeit beurteilen und entscheiden, ob wir es jetzt riskieren – das Problem ist der Schwefel, der in Verbindung mit Wasser zu extrem aggressiver Schwefelsäure reagiert und gerade Textilmaterialien angreift und zersetzt. Genaue Wettervorhersagen sind hier in den Tropen unmöglich, ein Regenguss zieht oft innerhalb von Minuten auf. Laut den Einheimischen regnet es hier auf dem Vulkan jedoch weniger, weil die aufsteigende Hitze die feuchte Luft gewissermaßen wegschiebt. Wir riskieren es und fangen mit dem Auslegen der Bänder am Kraterrand an. Wegen des Sturms, der gerade weht, müssen wir sie an den überall verstreut liegenden Lavabomben einhängen, damit sie nicht in den Krater geweht werden. Am Ende angekommen stellen wir fest, dass das Setup im ungespannten Zustand immer noch zu kurz ist. Wir verlängern die letzten 20 Meter mit Seil und lösen die Slackline von ihren Zwischenverankerungen am Boden. Wegen des starken Windes kommt beim Einziehen zu viel Kraft aufs Micro Traxion, sodass ich mich spontan ein Stück in den Krater abseilen muss, um ans Ende der Line zu kommen. Beim Einhängen der Line spart uns die nützliche Anti-Rutsch- und Hintersicherungsfunktion des AWL 5 wertvolle Minuten. Trotzdem werden wir gerade erst zum Sonnenuntergang mit dem Aufbau fertig.
Über die Eindrücke vom Laufen berichte ich im nächsten Blog, so viel vornweg: Angst, Respekt, Bewunderung, Faszination, Dankbarkeit sollten als Gefühle dabei sein.
Beim Abbau beeilen wir uns aus Angst vorm Regen, aber müssen zugleich aufpassen, nicht von der Line in den Krater gezogen zu werden. Dabei sind wir den Ausbrüchen genauso nah wie zuvor auf der Highline.
Vier Tage später würden wir feststellen, dass die Ketten bereits korrodieren. Nur gut, dass wir die Ankerseile und Slacklines nicht dort gelassen haben… Vor dem nächsten Aufbau müssen wir daher erstmal neue Ketten besorgen und das Holz wieder aus- und eingraben.
Die Slackline vorm ausbrechenden Vulkan war unser bisher aufregendstes Rigging-Erlebnis unter den bizarrsten Umständen!